Emotionalizing Brands #08 – Freude und ihre bösen Nachbarn

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Emotionalizing Brands #08 – Freude und ihre bösen Nachbarn

Von welchen Gefühlen sprechen wir, wenn wir von Marken-Emotionalisierung sprechen? Von Freude! Aber nicht nur.

Von welchen Gefühlen sprechen wir, wenn wir von Marken-Emotionalisierung sprechen? Von Freude! Aber nicht nur.

Mit Marken Emotionen wecken – das sagt sich so einfach. Stellt sich doch zuerst die Frage, welche Gefühle Marken überhaupt auslösen können. Und welche von diesen Gefühlen von Zielgruppen als relevant eingestuft werden.

In einem an der Universität Wien durchgeführten Forschungsprojekt wurden aus einer großen Menge an potenziellen Emotionen diejenigen herausgefiltert, denen im Marketing und im Speziellen im Zusammenhang mit Marken eine Bedeutung zukommt. Befragt wurden insgesamt 3.720 Proband:innen mittels der Methodik „Strukturierung spontaner Assoziationen“ in Gruppeninterviews. Das Ergebnis ist erstaunlich.

Für Marken relevante Emotionen nach Anzahl der Nennungen:

  • Freude: 651
  • Akzeptanz/Zuneigung 358
  • Ekel/Ablehnung: 343
  • Erwartung: 330
  • Ärger: 237
  • Interesse/Neugier: 224
  • Begehren: 202
  • Sorge: 155
  • Langeweile: 148
  • Enttäuschung: 135

(Quelle: Christian Bosch/Stefan Schiel/Thomas Winder: Emotionen im Marketing. Verstehen ­– Messen – Nutzen. Wiesbaden 2006, S. 97.)

Freude ist demnach die in Bezug auf Marken am häufigsten empfundene Emotion mit fast doppelt so vielen Zuordnungen wie die auf den weiteren Plätzen folgenden Kategorien Akzeptanz/Zuneigung, Ekel/Ablehnung und Erwartung. Die genannten vier Emotionen sowie die Emotion Ärger auf Platz 5 zählen nach Robert Plutchiks Emotionstheorie zu den Basisemotionen und versammeln in Summe mehr als die Hälfte aller Nennungen auf sich.

Daraus kann dem Forscherteam zufolge geschlossen werden, „dass die von Plutchik (…) formulierten Basisemotionen nicht nur im psychologischen, sondern auch im marketingspezifischen Kontext ihre Berechtigung besitzen“. Bezeichnenderweise taucht das für Marketingkonzepte wie Lovemarks oder Love Brands so wichtige Gefühl der Liebe unter den ersten zehn Nennungen gar nicht auf. Mit gerade einmal 67 Nennungen findet es sich abgeschlagen auf Platz vierzehn.

Wie gestaltet man Freude?

Es lohnt sich ein Blick auf die Marken-Emotion Nr. 1! Freude in Bezug auf Marken und Produkte muss in erster Linie von Akzeptanz unterschieden werden. „Freude“, stellen das Forscherteam fest, zeige sich „in allen über die Akzeptanz hinausgehenden Fällen, sobald der Übergang von einer passiven zu einer aktiven Form der Emotion vorliegt“. Als ein aktiv erlebtes Gefühl entsteht Freude, wenn die Zielgruppe in irgendeiner Form „tätig“ ist. So verspüren wir Freude, wenn wir lachen oder schmunzeln, weil wir die Doppeldeutigkeit einer Anzeige entschlüsselt oder ein Sprachspiel „dekodiert“ haben. Kreative, expressive Bilder und Texte eignen sich darum am besten, um Freude auszulösen. Das spricht für die emotionale Relevanz von stark gestalteten und involvierenden Markenerlebnissen.

Müssen jetzt alle Marken Freude ausstrahlen?

Natürlich nicht! Der Erfolg einer emotionalen Marken-Positionierung und ihrer Vermittlung ist nur dann gegeben, wenn die jeweils richtigen Emotionen aktiviert werden. Das wiederum gelingt nur, wenn Unternehmen die wahren Motive ihrer Zielgruppe kennen. Aber genau hier zeigen sich oft Wissenslücken: Firmen wissen oft viel über die rationalen Kaufgründe, aber wenig über die ausschlaggebenden emotionalen Motive.

Nur wenn eine Marke ein emotionales Bedürfnis sehr präzise trifft, besteht eine Chance auf Erfolg. Soll eine Marke in erster Linie ein Sicherheitsgefühl, Erregung/Spannung oder Freude aktivieren? Oder nicht doch eine Mischung aus verschiedenen Gefühlen? Und zu welchen Anteilen? Mit Wirkungstests und Research-Methoden, die neue Erkenntnisse der Hirnforschung, der Emotionspsychologie und der Behavioural Economics nutzen, können die emotionalen Beweggründe herausgearbeitet werden, die zu Offenheit oder Abwehr, Interesse oder Desinteresse, Kauf oder Nicht-Kauf führen. Deshalb empfiehlt es sich, emotionale Marken-Konstrukte genauer unter die Lupe zu nehmen und ggf. zu optimieren.

Und was ist mit den negativen Gefühlen?

Das Ergebnis der oben genannten Verteilung ist auch insofern interessant, da oft davon ausgegangen wird, dass Marken in erster Linie positive Emotionen auslösen. Das Gewicht negativer Emotionen wird meist nicht beachtet. Oder nur dann, wenn die Unmutsbekundungen von Zielgruppen so offen zutage treten, dass man sich mit ihnen befassen muss.

Daraus ergeben sich Denkanstöße für die Marketingpraxis, die nicht nur darauf bedacht sein sollte, mit der Markenführung positive Emotionen aufzubauen und zu verstärken, sondern auch bewusst auf negative Gefühle bei den Zielgruppen zu reagieren. In diesem Zusammenhang können etwa Dachmarkenstrategien gegenüber Einzelmarkenstrategien kritisch diskutiert werden, da negative Emotionen häufig mit den hinter Marken stehenden Unternehmen verbunden sind.

Fazit

In der Markenarbeit lohnt es sich, sich Klarheit über die zu aktivierenden „Wunsch-Gefühle“ und ihre jeweiligen Anteile zu verschaffen. Innovative Marktforschungsmethoden können bei der Zielbestimmung und der Optimierung von Ergebnissen helfen. Darüber lohnt es sich, die Macht negativer Emotionen zu kennen und nach Möglichkeit konstruktiv zu nutzen.

Von hier kommen die Gefühle!

Der Purpose von Liebchen+Liebchen lautet Emotionalizing Brands. Unsere Agentur beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der emotionalen Inszenierung von Marken. In dieser Zeit haben wir wichtiges Know-how aufgebaut und erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Mit unserer Serie stellen wir uns wichtigen Fragen rund um das Thema Marken-Emotionalisierung.

 

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