Expansive Texte

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Expansive Texte

Texte auf Verpackungen erzählen Geschichten. Namen von Produkten überbieten sich in Kreativität. Auch Zutatenlisten beschränken sich längst nicht mehr auf die Beschreibung von Fakten. All das zeigt: Die Marken- und Imagekommunikation dringt in ungewohnte Bereiche vor und erschließt sich neue Möglichkeiten. Fünf Beispiele – plus eine Anregung für die B2B-Kommunikation.

Texte auf Verpackungen erzählen Geschichten. Namen von Produkten überbieten sich in Kreativität. Auch Zutatenlisten beschränken sich längst nicht mehr auf die Beschreibung von Fakten. All das zeigt: Die Marken- und Imagekommunikation dringt in ungewohnte Bereiche vor und erschließt sich neue Möglichkeiten. Fünf Beispiele – plus eine Anregung für die B2B-Kommunikation.

1. Unter der Gefühlsdusche: treaclemoon

Die Drogeriemarke treaclemoon vertreibt Duschgels und Duschcremes, deren Namen so bunt und wohlriechend klingen, wie es die Inhalte der transparenten Flaschen versprechen: „papaya summer“, „cucumber cactus cool“, „warming happy hugs“, „funny cola sparkle“. Das Besondere aber sind die prominent auf der Vorderseite der Flaschen platzierten Textwelten. So beschwört beispielsweise die Kaktus-Flasche die Ära von Flower Power und Woodstock herauf, in die sich der Verbraucher duschend hineinträumt: „Festivals beflügeln mich … ich tanz allein im warmen Gras und träume, dass ich eine Blume bin … der klare Rhythmus dieser langen Nacht … was zählt, ist nur der Augenblick.“ Zum Lesen verführen, das können eben nicht nur Websites und Flyer, sondern auch die Produkte selbst.

2. Typografischer Imperativ: Stop The Water While Using Me!

Die meisten Regionen der Welt leiden unter Wasserknappheit. Die Naturkosmetik von „Stop The Water While Using Me!“ schärft unser Bewusstsein zum Wasserverbrauch: Nicht nur, indem Shampoos, Duschgels, Body Lotions nachhaltig aus natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt werden, sondern zuallererst, indem eine mahnende Erinnerung zum Markennamen erkoren wird. Gemäß der Formel „The message is the brand. The brand is the message.“ prangt der Imperativ „Stop The Water While Using Me!“ in riesiger Typografie direkt auf den Verpackungen. Verbraucher können den Tag mit dem guten Gefühl beginnen, etwas Gutes zu tun und zu konsumieren. Nachhaltigkeit beginnt eben jeden Morgen aufs Neue.

3. Erzählte Grenzüberschreitung: True fruits

Der Smoothie-Hersteller true fruits ist bekannt für die teils humorvollen, teils schlüpfrigen oder sogar ordinären Flaschenaufdrucke. Für einen medialen Aufschrei sorgte eine mit „Vagina“ bedruckte Flasche, die aus dem Handel zurückgezogen und anschließend bei eBay zu Höchstpreisen versteigert wurde. Die bemerkenswerten langen Fließtexte eint, dass sie die Produkte zum Gegenstand eines anarchischen Spiels machen. Ein Auszug: „Wir werden oft gefragt, ob es sich bei diesem Zeugs hier eigentlich um #Einhornkotze handelt … Wir haben zwei, drei Einhörner gefragt. Alle sagen, sie kotzen in Regenbogenfarben und nicht in Pink. Also kommt die krasse Farbe wirklich von der pinken Drachenfrucht.“ True fruits feiert das Anzügliche, Anstößige, Rücksichtslose und Selbstbewusst-Kreative, oft hart an der Grenze des sogenannten guten Geschmacks. Die Zielgruppe – hihi, haha! – genießt das ,verbotene‘ Lesevergnügen als zusätzlichen Mehrwert.

4. Familienbande: aunts & uncles

Abigail, Mrs. Tea Cake, Cranberry, Dark Chocolate. Die Damentaschen von aunts&uncles beschwören das Heimelig-Familiäre. Sie heißen wie die Katzen von Tante Sophie, die Backwaren von Oma, Früchte aus dem Obstgarten und Süßigkeiten. In den charmanten Produkttexten treten sie als eigene Persönlichkeiten auf: „Willkommen zurück! Die schmerzlich vermisste Mrs. Tea Cake feiert ihre Rückkehr an Großmutters Kaffeetafel mit Pauken, Trompeten und einer Extraportion Schlagsahne.“ Die Produktnamen verströmen eine unverwechselbare britische Aura. Sie entführen uns in eine manchmal altmodische Welt, in der die Zeit ein wenig stehengeblieben ist.

5. Streetfashion unter der Gürtellinie: Naketano

Dicke, lederbesetzte Kordeln und üppige Schalkragen sind das Erkennungszeichen des Modelabels Naketano, das seit einem Zerwürfnis der Geschäftspartner Geschichte ist. Kult-Status haben die Pullover, Jacken, Sweat- und T-Shirts allerdings wohl wegen ihrer Namen erlangt. Diese bewegen sich zu einem großen Teil unterhalb der Gürtellinie, sodass selbst manche Händler von Naketano-Mode sie schamhaft verschweigen – oder nur jugendfreie Varianten auf ihre Websites übernehmen.

Was B2C kann, kann B2B auch

Die unterschiedlichen Strategien textlicher Grenzüberschreitungen – die Beispiele oben stammen samt und sonders aus der B2C-Kommunikation – lassen sich ohne weiteres auf das B2B-Business übertragen. So zwingt beispielsweise niemand ein Unternehmen dazu, die Titelseite seiner Imagebroschüre mit nur einigen Wörtern zu bedrucken, anstatt mit einer ganzen Geschichte. Die Möglichkeiten sind vielfältig!

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