Warum lesen wir?

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Warum lesen wir?

Für die Anziehungskraft der Sprache gibt es eine ebenso einfache wie einleuchtende Erklärung.

Wir essen, weil unser Körper es verlangt. Aber nicht nur das. Wir essen auch, weil wir genießen wollen, aus ästhetischem Vergnügen (der schön gedeckte Tisch etc.), und weil wir über das Essen mit anderen Menschen interagieren.

Mit dem Lesen verhält es sich ähnlich. Wir lesen, um Informationen aufzunehmen. Aber nicht nur das. Wenn das von Freud und noch heute von der Emotionspsychologie formulierte Lustprinzip gilt, wonach alle psychischen Aktivitäten Unlust zu vermeiden und Lust zu schaffen versuchen, dann gilt dies erst recht für das Lesen – zumindest, wenn man es freiwillig tut. Wir lesen auch für unseren Lustgewinn.

Lost in a book

Der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges behauptet: „Wenn wir etwas mit Mühe lesen, so ist der Autor gescheitert. (…) Ein Buch darf keine Anstrengung, das Glück darf keine Mühsal verlangen.“ Dass habituelle Leser glücklichere und glücksfähigere Menschen seien, wurde sogar schon mit Methoden der empirischen Sozialforschung zu belegen versucht. Demnach sind Texte weit mehr als bloß Übermittler von Sachinformationen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Lust am Text sogar ein gefährliches Ausmaß erreichen und zur Sucht werden konnte. Wie heute ihre Nachfolger vor der Online-Sucht, so warnten im späten 18. Jahrhundert Kulturkritiker vor den pathologischen Konsequenzen exzessiver „Lesewuth“ und „Romanleserey“, die uns in realitätsenthobene Traum- und Wunschwelten entführe.

Literatur als Lustbringerin

Beobachtungen wie diesen geht die literaturissenschaftliche Hedonistik nach. Die Disziplin untersucht die Gründe und Bedingungen des Vergnügens und Missvergnügens, des Glücks und Unglücks beim Lesen. In seiner Studie Literatur und Lust identifiziert der Marburger Germanist Thomas Anz u.a. folgende Faktoren als Auslöser der Leselust: spielerische Offenheit, Wohlgefallen am Schönen, Spannung, Komik und Erotik.

So können in Texten, die Merkmale des Spiels aufweisen, Freiwilligkeit in der Wahl von Optionen oder Entlastung von Realitätszwängen als Basis ästhetischer Lust erlebt werden. Dabei hat der Autor freilich zunächst fiktionale Texte wie z.B. Romane und Gedichte im Blick.

B2C- und B2B-Lüste

Im Grunde gilt die Fähigkeit, den Lustleser anzusprechen, aber für alle Texte. Auch Kommunikationstexte sollten „lustbringend“ gestaltet sein, um ihren Lesern einen Mehrwert zu bieten – über ihre reinen Informationsaufgaben hinaus. Dies trifft für die B2C- ebenso zu wie für die B2B-Kommunikation. Denn auch Fachleute sind von den Lektüreerfahrungen des „Privatlesers“ geprägt und rezipieren Texte nach denselben Regeln.

Redakteuren und Werbetextern stehen unterschiedlichste Mittel für die lustvolle Textgestaltung zur Verfügung. So sorgen z.B. rhetorische Elemente, bildhafte Sprache und Storytelling dafür, dass wir Texte gerne lesen. Emotional schreiben heißt, einen roten Teppich für die Inhalte auszurollen: Es lohnt sich, diese Wirkung zu verstärken!

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