NEBENBEI
Pingelige Marken
„Riesen Wiesn-Fauxpas: Ritter Sport wirbt mit Deppenapostroph“, überschreibt die „Werben & Verkaufen“ einen Artikel. Der schwäbische [...]
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Wir befinden uns in einer beliebigen Stadt in Deutschland, zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Fußgängerzonen und Shopping-Malls. Schnellimbisse und Coffee-to-go-Filialen. Internationale Mode, die jedem gefällt. Technik, die jeden begeistert. Verkauft in Geschäften mit Namen, so austauschbar wie die Waren und Dienstleistungen, die sie anbieten: Deichmann, Fielmann, Tengelmann, Mäc Geiz, McPaper, Mac Donald’s. Die ganze Stadt eine polierte, glatte Oberfläche.
Eine unbeugsame Berufsgruppe hört nicht auf Widerstand zu leisten: Die Friseure. Mit Wortwitz und Wortspielen zeigen sie ihren Kunden, wer sie wirklich sind: Keine Dienstleister, sondern echte Haartisten. Hier bekommt man nicht einfach die Haare „gemacht“, hier geschehen echte Verwandlungen: Vorhair Topfschnitt, hinterhair Charakterkopf. Aber wo geschnippelt wird, da fallen Strähnen: So mancher sprachakrobatische Höhenflug endet mit einer Bruchlandung. Für die Mehrheit der Zunft kein Grund, die Fasson zu verlieren und von Wortspielen Abstand zu nehmen. Denn sie wissen: Friseure sind die ästhetische Guerilla im Kampf gegen die allgegenwärtige Einfallslosigkeit.
In jüngster Zeit aber gibt es immer mehr schwarze Schafe unter den Friseuren. Abtrünnige Figaros, die keinen Wortwitz im Namen mehr führen möchten. Puristen, die die schöne Tradition des Wortspiels nicht behairzigen. Ihre Salons heißen Freunde, Ideal oder einfach Barbara Ochs. Selbst Monikas Haarsalon führt heutzutage nicht mal mehr das falsche Genitiv-Apostroph im Titel! Dabei wäre hier doch der Name MonikaHaar so naheliegend gewesen, ganz zu schweigen von ZiehHaarMonikHaar. Auch wer neuerdings zum Barber geht, begegnet hipper Lässigkeit statt Wortspielen mit Bart. Kein Barnaba’s Barber Shop oder Barbaras Barber Barbar. Wohin man nur sieht, schnittige Sidecuts und gescheitelte amerikanische Namen – es ist zum Haareraufen.
Droht die schöne Tradition des Friseurwortspiels auszusterben? Ist die liebevoll zusammengestellte Landkarte der Friseurnamen des Katapult Magazins ein Relikt aus längst vergangener Zeit, ein letzter Abschiedsgruß, bevor der Geist der Vernunft jede Irrationalität aus dem Stadtbild verdrängt? Das wäre schade! Als Sofortmaßnahme zur Vermeidung weiteren Schwundes, quasi aus Artenschutzgründen – hier ein paar Namensvorschläge, auf die Berufsanfänger und Uninspirierte im Ernstfall zurückgreifen können: Haare Krishna, Hairreinspaziert, Pony und Clyde, Der Prinz von Bel Hair, Hairberge, Um 1 Haar vong Frisur hair, Atmosphaire, Haarlem, Hairforceone, Hairport, Rastafahndung, Kamm with me, James Blond, Verlockend, Komm Hair, Kopfsalat, Kaiserschnitt, Verdammt lang hair.
Aber wäre es nicht schön, wenn auch andere Berufsgruppen mehr Mut zum Wortspiel zeigten? Unter den Gastronomen gibt es schon gute Ansätze, wie die Namen Burgermeister, Burgeramt, Dönerwetter oder Wurststrecke zeigen. Auch bei den Floristen treiben erste kreative Namensgebungen ihre zarten Blüten: Blumen Group, Twin Flowers oder Gladiolator. Und welches Potential bieten andere Branchen? Wie wäre es mit einem Schuhladen namens Absatzstark? Oder einem Hautarzt, der sich Simon & Furunkel nennt? Auch die Namen deutscher Bestattungsunternehmen bieten ungeahnte Möglichkeiten. Beispiel gefällig? Gevatter Bestatter, Ex und Hopp, Urnendlichkeit, Abrakadaver, Terminus Klause, Sargenhaft. Vielleicht fällt einem pfiffigen Wirt eines Tages noch mal ein kreativer Name für eine Kneipe ein. Das wäre Wunderbar.
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Eine Musikkassette und einen Bleistift können einige von uns noch in einen Zusammenhang bringen. [...]